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Ein Crailsheimer blickt in die Sterne

Wer möchte nicht gern wissen, was die Zukunft bringt? Vor allem nach diesem Jahr könnte das Bedürfnis bei einigen groß sein, zu wissen, wie das nächste Jahr wird, und vor allem zu wissen, wann „es“ besser wird. Schon vor rund vierhundert Jahren gab ein aus Crailsheim gebürtiger Sterndeuter Tipps für das kommende Jahr.

Für den Blick in die Zukunft diente schon im alten Ägypten der Blick in den Nachthimmel: Hier hatte sich bereits die Ansicht verfestigt, dass alles, was auf der Erde geschieht, durch den Gang der Sterne vorherbestimmt sei. Die Kunst des Sterndeutens etablierte sich schließlich als Wissenschaft: Astrologen nehmen vor allem den Gang der Planeten als Ausgangspunkt für Deutungen. Den Planeten, einschließlich Sonne und Mond, werden menschliche Eigenschaften zugesprochen. Ihre Wirkung hängt von ihrer Stellung am Himmel ab, der in zwölf Tierkreiszeichen unterteilt ist. Steht ein Planet in dem Bereich des ihm zugeordneten Himmelsabschnitts, in seinem „Haus“, ist seine Wirkung verstärkt. Sind zwei Planeten sehr nahe beieinander, sind besondere Ereignisse zu erwarten. Eine solche seltene „Konjunktion“ ist zurzeit bei den Planeten Saturn und Jupiter zu sehen.

Im Stadtarchiv hat sich eine Handschrift des „Astronomen“ Johannes Schulin erhalten.

Die bei antiken Autoren festgeschriebenen Deutungen wurden in das Christentum übernommen:  Sterne wurden als Zeichen Gottes gesehen. Daher war es in der frühen Neuzeit nicht unüblich, dass sich Geistliche mit Astronomie beschäftigten – und ihre Vorhersagen sogar veröffentlichten. Einer dieser Pfarrer war Johannes Schulin, der sich in seinen Schriften stolz als „Chraylshemium“ bezeichnete, als aus Crailsheim stammend. Er wurde hier 1561 als Sohn von Werner und Margarete Schulin geboren. Nach Schul- und Studienaufenthalten in Krems, Wittenberg und Tübingen wurde er 1585 Pfarrer in Wallmersbach in der Nähe Uffenheims, ab 1594 in Gnodstadt. Seine astronomische Neigung bestand schon vorher: Seine erste bekannte astronomische Schrift stammt aus dem Jahr 1584. Er widmete sie Sybilla Fuchsin von Dornheim auf Schloss Burleswagen – die Beziehung zur ursprünglichen Heimat war offenbar noch gegeben. Dafür gibt es weitere Hinweise:

Im Crailsheimer Stadtarchiv haben sich von Schulin zwei Schriften erhalten, eine Druckschrift und ein wohl von ihm selbst geschriebenes, schön verziertes Manuskript. Das gedruckte Buch ist eine „Teutsche Practick“ auf das Jahr 1593. In solchen „Praktiken“ wurden Voraussagen für das kommende Jahr gemacht, ähnlich wie bei den heutigen Jahreshoroskopen. Allerdings wurden die Schwerpunkte anders gesetzt: Während heute „Beruf und Geld“, „Fitness und Gesundheit“ und „Liebe und Freundschaft“ die wesentlichen Kategorien sind, waren es damals „Wetter“, „Politik“ und „Katastrophen“. Eine Wettervorhersage für das ganze Jahr sollte zeigen, wie sich die Landwirtschaft entwickeln würde. Das Wachstum und Gedeihen der „lieben Feldfrüchte“ war von essenzieller Wichtigkeit, denn sonst stand eine Hungersnot, womöglich begleitet von Krankheiten und Seuchen, bevor. Und die Vorhersage der politischen Ereignisse war eine Vorhersage von Frieden oder Krieg. Das schloss Schulin aus bestimmten Sternenkonstellationen: „Wann Mars und Jupiter ihren Congressum haben, sie erregen und erwegen grosse Kriegsempörung.“ Dann gebe es „große Uneinigkeit, Zwietracht und Hader zwischen geistlichen und weltlichen Fürsten wegen der Religion“. Komme noch Saturn dazu, so zeige dies an „Verenderung der Regimenten, Zwietracht unter hohen Häuptern, Schriftgelehrten und Geistlichen, auch Vergiftung der Luft, Pestilenz, Ja Krieg, Blutvergießung, Haß, Neid, Zank“. Keine schönen Aussichten.

Gedrucktes Buch von Schulin: "Teutsche Practick"

Von 1584 bis 1604 veröffentlichte Schulin jährlich eine solche Jahresprognose, die er zeitweise seinem Dienstherrn, dem Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, widmete. Sicherlich nicht ganz uneigennützig. Vielleicht hatte Schulin auf einen fürstlichen Obolus gehofft, vielleicht auf die Stelle des Hofastronomen in Ansbach spekuliert. Diese war jedoch mit Georg Friedrich Caesius besetzt, der Schulin überlebte. Im Jahr 1607 wurde auf die Stelle Simon Marius berufen. Marius entdeckte 1610 unabhängig von Galileo Galilei die Jupitermonde, worauf man in Ansbach bis heute stolz ist.

Johannes Schulin hingegen wurde schon zuvor empfohlen, in seiner freien Zeit lieber die Bibel zu lesen, sich auf seine Tätigkeit als Pfarrer zu konzentrieren und das Schreiben von Kalendern und „Praktiken“ einzustellen, da es zu viele gebe, die schlechte Prognosen erstellten. Einmal wurde ihm sogar vom Markgrafen verboten, eine Schrift herauszugeben. Dennoch veröffentlichte Schulin bis kurz vor seinem Tod 1606 jährlich eine astrologische Prognose.

Das „Horoskop für eine 1567 geborene Person“ ist liebevoll ausgestaltet.
Unterschrift Schulins unter dem Horoskop

Die im Crailsheimer Stadtarchiv vorhandene Handschrift ist ein:„Ausführlicher und gründlicher Bericht von dem Zustand der Planeten“. Die als Archivale des Monats vorgestellte Schrift ist eine Vorhersage eines ganzen Lebens von der Geburt bis zum Tod. Auf der zweiten Seite findet sich die Darstellung der Sternenkonstellation zum Zeitpunkt der Geburt. Diese ist vermerkt:„Anno 1567 31 Augusts“. Die Person ist also im Sternzeichen der Jungfrau geboren. Schulin analysiert in der Folge auf mehr als 160 Seiten den Charakter dieser „Jungfrau“ aufgrund der Position der Sterne, sogar den Tod sieht er voraus. Rätselhaft bleibt jedoch, für wen dieses Horoskop erstellt wurde: Die Person selbst ist nicht genannt. Da sich die Schrift in Crailsheim befindet, könnte es sich um eine Person aus der alten Heimat Schulins handeln. Schulin, der sich selbst am Ende der Schrift selbstbewusst als „Astronomus“ bezeichnet, hat auch dieser ein Grundprinzip der Sterndeutung beigefügt: „Astra inclinant et non necessitant. Virtus unius Alterius Invidia.“ Was sinngemäß bedeutet: „Die Sterne zeigen die Richtung an, aber sie zwingen nicht. Des einen Freud ist des andern Leid.“

Info: Die Angaben zur Biografie Schulins stammen aus der Dissertation von Klaus Matthäus über die Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens.

Bezoardisches Pulver oder Latwerg auf Rezept?

Verordnungen und Verhaltensregeln bestimmen im Moment den Alltag der Corona-Pandemie. Schon 1726 wurden gesundheitliche Belange von der Herrschaft geregelt und Empfehlungen zur Bekämpfung einer Seuche gegeben.

Was tun, wenn eine Krankheit nicht nur eine einzelne Person betrifft, sondern eine ganze Gesellschaft? Schon 1726 gab die regierende Markgräfin Christiane Charlotte den Ärzten in ihrem Gebiet eine Handreichung, wie sie mit Patienten umgehen sollten, die an einer ansteckenden Krankheit litten. Dieses informative Schreiben hat sich gemeinsam mit anderen Erlässen dieser Zeit im Stadtarchiv Crailsheim erhalten, in dem Sammelband „Ausschreiben und Verordnungen aus der Regierungszeit der Markgräfin Christiane Charlotte“.

Titelblatt der "Instruction" an die Ärzte in der Markgrafschaft zur Behandlung von Patienten, 1726

Auf acht gedruckten Seiten wird in der „Instruction“ erläutert, wie mit „ansteckenden hitzigen Krankheiten und Fleck-Fiebern“ umzugehen sei. Auch damals schon legte man Wert auf Prävention; das Wichtigste zur Abwehr von Krankheiten sei eine „ordentliche Diät“: Beim Essen und Trinken solle aller Überfluss vermieden werden. Der Verzicht auf als ungesund angesehene Speisen wie Schweinefleisch, Sauerkraut, Käse, Branntwein und frisches Bier wird besonders hervorgehoben.

Aber auch psychologische Aspekte werden berücksichtigt: So solle man sich vor Zorn sowie einer übermäßigen Furcht vor der Krankheit hüten – und vorsichtshalber „von den infizierten Örtern und Häusern, auch Besuchung der Kranken wegbleiben und den Umgang mit solchen Leuten unterlassen“. Auch eine vormoderne Art der Desinfektion wird empfohlen, indem man „eine reinliche Haushaltung führe, die Häuser und Zimmer mit Wacholder-Beeren oder Holz fleißig ausräuchere und alle Unfläterei auf die Seite räume“.

Wer dennoch erkrankt, könne seine Genesung durch entsprechendes Verhalten fördern: „In der Kur wäre dahin zu sehen, dass der Patient sobald er eine außerordentliche Müdig- und Mattigkeit in seinen Gliedern, Frösteln und abwechselnder Hitze, Kopf- oder Rücken-Weh, Ekel, Durst, Ängste, Bangigkeit, usw. an sich spüre, sich zu Bette begebe und mit schädlichem Aufnötigen [Aktivsein] und Herumgehen nicht der Krankheit mehr Platz einräume und die Kräfte schwäche, vielmehr durch die Bett-Wärme und das Einnehmen der dienlichen Arzneien ein beständiges gelindes Dämpfen befördere und dadurch das böse giftige Wesen aus dem Geblüt und von dem Herzen treibe.“ Im Schlafzimmer solle es nicht zu heiß sein, was den Kranken zusätzlich schwäche, sondern eine „gelinde, natürliche Wärme“ herrschen.

Während die allgemeinen Verhaltensregeln damit auch heute noch als gesundheitsfördernd angesehen werden, ist die vorgeschlagene Medikation nicht mehr üblich: Pulver und Tees aus Kräutern und aus als Gift eingestuften Substanzen, wie beispielsweise Salpeter. Beliebt war damals ein „Bezoardisches Pulver“, das den Schweiß treiben sollte. Es wurde aus Bezoaren hergestellt, das sind Steine, die aus verklumpten Haarresten in Mägen von Tieren entstehen und bis heute in manchen Kulturen als Rarität gelten. Das Pulver sollte in Wasser aufgelöst werden, ihm wurde eine giftbindende Wirkung zugesprochen. Offenbar war das Getränk nicht sehr schmackhaft: Empfand es der Patient als „ekelhaftig oder verdrießlich“, so war es ihm erlaubt, Saft beizumischen.

Vor allem bei Magenbeschwerden sollte „Diascordium“ verabreicht werden, ein Mittel, das aus Knoblauch-Gamander, einer krautigen Pflanze, hergestellt wurde. Es wurde als „Latwerg“ verabreicht, als cremige Mischung mit Honig und Kräutern. Gamander war als Pestmittel gebräuchlich. Das frische Kraut wurde auch auf eiternde Wunden gelegt. Bei großer Schwäche des Patienten wurde das Riechen an Essig-Essenz oder ein Tee aus Hirschhorn-Geist empfohlen.

Für unterschiedliche Krankheitszustände wurden in der markgräflichen Verordnung somit unterschiedliche Rezeptmischungen empfohlen. Die Rezepturen für die einzelnen Mittel und Heilwasser sind am Schluss angehängt. Die Mittel sollten in den Apotheken des Landes vorrätig sein und an die Ärzte mit Vorwissen des markgräflichen Amtes ausgehändigt werden. Wenn sich für einen Arzt „Umstände ergeben, die eine weitere Information erforderten“, so konnte er sich bei einem Medicus Rat einholen.

Die Zitate wurden zum besseren Verständnis leicht an das heutige Deutsch angepasst.

Helga Steiger

Wappen von Triensbach

„Lexikon“ des Carl von Seckendorff (1874-1948)

Das Wappen des Crailsheimer Teilorts Triensbach zeigt über einem stilisierten Bachlauf einen roten Lindenzweig, der zu einer Acht verschränkt ist. Es erinnert damit an die Familie von Seckendorff, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts das Wasserschloss Erkenbrechtshausen besaß und deren Wappen den charakteristischen Lindenzweig zeigt.

Das Schloss Erkenbrechtshausen war im Mittelalter von den Herren von Crailsheim bewohnt. Als der Schlossherr Wolf Christoph von Crailsheim 1647 kinderlos starb, fiel es an seine drei Schwestern. Eine von ihnen, Katharina Ursula, war mit Georg Albrecht von Seckendorff verheiratet, so dass zunächst ein Teil des Erbes in den Besitz der Seckendorff kam. Wenige Jahre später erwarb die fränkische Adelsfamilie auch die restlichen Teile. Die Schlossanlage war damit seit 1759 vollständig im Besitz der Seckendorff, die es in der Folge zu einem Gutshof ausbauten. 1916 erbte es Carl von Seckendorff von einem Onkel. Carl selbst hinterließ das Schloss seinen drei Töchtern aus der 1901 geschlossenen Ehe mit Ida Lüdorff, der Tochter eines Kasseler Apothekers.

Wappen der Herren von Seckendorff

Der neue Schlossherr, Major Carl von Seckendorff war eine Persönlichkeit mit außergewöhnlich vielseitigen Interessen. Besonders intensiv beschäftigte er sich mit Ahnenforschung, wie sich seine Enkelin Haide Honnens, die in Beuerlbach lebt, erinnert. Mit ihren Geschwistern Peter Thomas und Birgit Viehweger lebte sie mehrere Jahre bei den Großeltern auf Schloss Erkenbrechtshausen.

In München 1874 geboren studierte Carl Nationalökonomie und Philosophie in Bamberg. 1894 trat er auf Wunsch des Vaters in die Armee ein. Stationiert in Metz gründete Carl dort im November 1909 nach dem Vorbild der englischen „Boy Scouts“ das erste Pfadfinderfähnlein im Deutschen Reich. Eine Erfolgsgeschichte: Im Laufe eines Jahres wurden aus acht Jungen über 50 Mitglieder. Als 1911 in Frankfurt der „Deutsche Pfadfinderbund“ gegründet wurde, hielt Carl Vorträge über die Ziele der Bewegung. Auch während seiner Einsätze im Ersten Weltkrieg engagierte er sich für das Pfadfindertum. Im Jahr 1918 wurde er zum Major befördert, im Pfadfinderbund wurde er Schriftführer und blieb dort bis 1922 aktiv. Mit zunehmender deutschnationaler Orientierung spaltete sich die Gruppe mehrfach auf. 1933 wurden die Gruppen aufgelöst bzw. in die Hitlerjugend eingegliedert und Carl folgte dieser Entwicklung. Die Familie hatte damals schon ihren Wohnsitz nach Erkenbrechtshausen verlegt. Carl bewirtschaftete die Güter, seine jüngste Tochter Erika betrieb eine Geflügelzucht. Carl starb 1948, seine Frau Ida 1960. Beide sind in einer Gruft beim Schloss bestattet.

Major Carl von Seckendorff

Wie vielfältig die Interessen des Majors waren, lässt sich aus einigen handschriftlichen Dokumenten erschließen, die im Stadtarchiv in Crailsheim verwahrt werden und die einen kleinen Ausschnitt zeigen. Eine Mappe ist besonders spannend: In einem festen Umschlag sind einzelne Blätter lose eingelegt. Auf den Blättern hat Carl von Seckendorff Notizen zu den unterschiedlichsten Themen gemacht. Zum Militär: Stärke des deutschen Heeres im Jahr 1913 mit einzelnen Zahlen zu Personen, Pferden und Geschützen, Geschwindigkeiten von Nachrichtenübermittlungen, die Kriegsschuldfrage im Ersten Weltkrieg. Notizen zur Landwirtschaft: Ertragsberechnungen, weltweite Erntezeiten, Fleischverzehr eines durchschnittlichen Deutschen bis zum 50. Lebensjahr („2 Rinder, 5 Kälber, 14 Schweine, 2 Schafe, 1/5 Pferd“), Körpergewicht in Verhältnis zur Körpergröße, Lebensmittelpreise in Süddeutschland, Zuchttierrassen und Mostzubereitung. Angaben zur Wirtschaft: Prozentuale Verwendung der Steuern im Staat, die Steuersätze bei Erbschaften oder auf den Hektoliter Branntwein. Kurioses wie Fußpflege mit Eichenrinde und die Zubereitung eines Öls als Hilfe bei Insektenstichen.

Einzelne Blätter aus dem "Lexikon" Carls von Seckendorff

Auf den ersten Blick scheint dies ein undurchschaubares Durcheinander zu sein – doch bei genauerem Studium wird deutlich, dass Seckendorff die Themen alphabetisch geordnet hat und den Anfangsbuchstaben jeweils in roter Farbe am oberen rechten Rand notiert hat. Auf diese Weise ist ein sehr persönliches Lexikon des Allgemeinwissens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden. Ein wenig geheimnisvoll bleibt das Ganze dennoch: Seckendorff hat sich auch für verschiedene Geheimschriften interessiert und viele Notizen, vor allem zu militärischen Angelegenheiten, in stenografischer Form festgalten.

Bilder der Fotosammlung: Die Jagst in Crailsheim – Segen und Fluch

In der Fotosammlung des Stadtarchivs sind rund 7500 Aufnahmen verzeichnet: Fotografien von Crailsheim und seiner Umgebung, Bilder von Straßen, Plätzen, Gebäuden. Die fränkische Stadt der Vorkriegszeit ist in nostalgisch-schönen Aufnahmen zu sehen, aber auch die Hoffnungslosigkeit der Kriegszerstörung und der anschließende Wiederaufbau. Personen und Ereignisse sind in spontanen, aussagekräftigen Momentaufnahmen festgehalten. Alle diese Bilder dokumentieren das vielfältige Leben in der Stadt in den letzten eineinhalb Jahrhunderten.

In diesen heißen und kürzlich von Starkregen geprägten Tagen liegt es nahe, als Archivale des Monats August einige Bilder auszuwählen, die Badefreuden und Hochwasserleiden an der Jagst zeigen.

"Strandbad Crailsheim"

Bevor das Freibad im Maulachtal in den Jahren 1979-1981 gebaut wurde, vergnügten sich die Crailsheimer den Sommer über im Jagstbad unterhalb der Johanneskirche. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts entstanden mit einer zunehmenden Anerkennung von sportlichen Betätigungen für die Gesundheit auch öffentliche Bäder. In Crailsheim gab es spätestens seit Ende der 1880er Jahre eine „städtische Badeanstalt an der Jagst“, in idyllischer Lage mit einer Liegewiese mit altem Baumbestand und einem Umkleidehaus. Die Sittsamkeit war in der Anfangszeit dadurch gewährleistet, dass es für Frauen und Männer, Mädchen und Knaben jeweils einen eigenen Badeplatz gab. Ab 1958 gab es ein eigenes Lehrschwimmbecken im Bereich der Liegewiese.

Der Bau der südlichen Stadtkernumgehung mit dem Bau der neuen Brücke Ende der 1970er Jahre beendete dieses sommerliche Vergnügen.   

Badefreuden im Frauenbad
Jagstbad mit Lehrschwimmbecken, 1960/70er Jahre

Die Lage Crailsheims an der Jagst hatte und hat ihre schönen Seiten, manchmal gibt es jedoch auch Unannehmlichkeiten für die Bewohner am Fluss: Hochwasser und starke Regenfälle werden bereits in den alten Stadtchroniken als bedrohliche Ereignisse dokumentiert. So ist in der Heelschen Chronik von Crailsheim festgehalten, dass am 24. Juni 1664 das Wehr des Spitalsees, also der Bereich des Kreisverkehrs am Bullingereck, so stark überflutet war, dass man „knietief waten musste“. Ein Unwetter 1729 überschwemmte den Bereich an der Jagstbrücke, so dass in der dortigen Kirche der Altar überflutet wurde. Zahlreiche weitere Hochwasser in Winter- und Sommermonaten sind belegt. Bilder aus dem beginnenden 20. Jahrhundert zeigen anschaulich, dass solche Ereignisse immer wieder vorkommen.

Bei einem Hochwasser zu Beginn des 20. Jahrhunderts sieht man sogar Crailsheimer auf dem Boot durch die überfluteten Straßen gleiten – Venedig lässt grüßen! Dass Crailsheim der Gondel-Stadt den Rang ablaufen könnte, oder gar Stand-up-Paddling in Crailsheim erfunden worden sein könnte, zeigt ein Bild mit einem aufrecht in seinem Kahn stehenden Mann aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Möglichkeiten und Ideen für eine Nutzung der Jagst gibt es viele!

Hochwasser an der Jagst, um 1910
Hochwasser an der Jagst, um 1910
Auf der Jagst vor dem ehemaligen Gaswerk, 1956: „Gondoliere“ oder „Stand-up-Paddler“?

Archivale des Monats Juli 2020

„Dem großen, guten Mann“

Im Stadtarchiv Crailsheim hat sich ein Preisgedicht auf den preußischen Minister Carl August von Hardenberg erhalten. Die Stadt huldigt ihn als Förderer von Frieden und Wohlstand.

Fast 400 Jahre lang gehörte Crailsheim zur Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach – dann begannen turbulente Zeiten: Crailsheim wurde in wenigen Jahren nacheinander preußisch, französisch, bayrisch und schließlich württembergisch.

Was war passiert? Ende des Jahres 1791 verfasste Markgraf Carl Alexander ein Schreiben, in dem er seine Untertanen über seine Abdankung informierte. Auch die Crailsheimer bekamen zu lesen, wer von nun an ihr Stadtherr war: „So verweisen Wir Unsere Unterthanen, Unsere Vasallen und Diener an des Königs von Preußen Majestät, als ihrem nunmehrigen einigen, rechtmäßigen Landes- und Lehen-Herrn.“ So abwegig sich eine preußische Herrschaft heute in Crailsheim anhört, so folgerichtig war sie damals: Der König von Preußen war das Haupt des Hauses Hohenzollern, zu dem auch der Markgraf gehörte. Beim Erlöschen einer Linie fiel der Besitz laut Erbregelung an das Haupthaus zurück. Markgraf Carl Alexander, der in seiner ersten, unglücklich geschiedenen Ehe kinderlos geblieben war, wollte offenbar nicht bis zu seinem Tod in der überschaubaren Residenzstadt Ansbach ausharren: Er heiratete die attraktive Schriftstellerin Lady Elisabeth Craven und gönnte sich vom Verkauf seiner Markgrafschaft ein kurzweiliges Leben mit Reisen durch ganz Europa.

Schriftstück zu Ehren Hardenbergs, 1797
Carl August Freiherr von Hardenberg

In der Markgrafschaft wurde ein preußischer Verwaltungsbeamter eingesetzt: Minister Carl August Freiherr von Hardenberg übernahm die Regierungsgeschäfte in der Provinz – und begann schon bald, den Lebensstil eines regierenden Fürsten zu führen. Auch wenn er umfassende Gebiets- und Verwaltungsreformen mit teilweise autoritärer Strenge umsetzte, war der in seinem Äußeren elegant und souverän auftretende Adlige beliebt. „Seinen“ Untertanen gegenüber war er großzügig und freundlich. Tatsächlich begann in Crailsheim eine Zeit des Friedens und des Reichtums.

Die Crailsheimer dankten es „Seiner Excellenz dem Herrn Minister von Hardenberg“ mit einem Preisgedicht. Die 1797 gedruckte Schrift hat sich erhalten. Hans Sachs, der Sohn des Stadtschultheißen Leonhard Sachs, hatte sie dem Heimat- und Altertumsverein geschenkt, dessen Sammlung an Schriften sich heute im Stadtarchiv befindet. In acht Strophen mit je sechs gereimten Versen huldigen darin die Crailsheimer Hardenberg, ihrem „großen, vielgeliebten Mann, dem sie so herzlich zugethan“. Dabei wird an mehreren Stellen deutlich, dass die Bürger Hardenberg vor allem dafür schätzten, dass Crailsheim unter seiner Regierung – im Gegensatz zu umliegenden Gebieten – nicht mehr in Kriege verwickelt war. Eine Strophe lautet:

 

„Mit Wonne, die Dein Herz belohnt,

Schallt Dank und Jubel Dir entgegen

Aus Hütten, wo die Ruhe wohnt,

Des edlen Friedens bester Segen,

Des süßen Friedens, der durch Dein Bemühn

So ehrenvoll für Preußens Staat gediehn.“

Die glücklichen Zeiten werden auch in der grafischen Gestaltung des Blattes veranschaulicht: Jede Seite ist mit einer Art Triumphbogen verziert, bestehend aus blumenumwundenen Säulen, auf deren Kapitellen Schicksals- und Glücksgöttinnen dargestellt sind. Im Giebelfeld stehen zwei Engelchen mit Siegeskranz und Buch. Auf der Vorderseite bringt ein Engelchen Blumen zu einem pyramidenförmigen Denkstein, an den die Kriegswaffen gebunden sind. Auf der Rückseite ist das allegorische Bild eines Schäfers mit seiner ruhig versammelten Herde zu sehen, alles ist so friedlich, dass sogar der Schäferhund schlafen kann.

Zeichnung aus dem Schriftstück zu Ehren Hardenbergs

Die wirtschaftliche Blüte hatte seine Ursache in der vorausschauenden Förderung von Textilindustrie, Bergbau und Landwirtschaft: Während der Zeit Hardenbergs wurde in der Region die Dreifelderwirtschaft eingeführt und um die Stadt herum Gemüsegärten angelegt. Hopfen und Tabak wurden angebaut. Dem Statthalter wurde auch eine augenzwinkernde Referenz erwiesen: Die neu eingeführte Kartoffel trug den Namen „Hardenberger“.

Kupferstich von Drevet

„Eine Krone unter den Fürstinnen“

Im Stadtarchiv Crailsheim befindet sich ein Porträt der Fürstin Christiane Charlotte, die von 1723 bis 1729 die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach regierte. Es stammt vom berühmten Künstler Pierre Drevet.

Als Amtsstadt hatte Crailsheim über Jahrhunderte eine wichtige Funktion in der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach. Nicht selten spielten Fürstinnen für die Entwicklung der Stadt eine wichtige Rolle, nicht nur, wenn sie das Crailsheimer Schloss als Witwensitz nutzten. Im Stadtarchiv befindet sich das großformatige Porträt von Christiane Charlotte von Württemberg-Winnental, die 1709 ihren Cousin, Markgraf Wilhelm Friedrich, heiratete und mit ihm eine ungewöhnlich glückliche Ehe führen sollte.

Die „liebreiche Princesse“ wurde in Ansbach mit großer Freude empfangen, als heitere und charmante Persönlichkeit sicherte sie sich schnell die Zuneigung ihrer Untertanen. Gleichzeitig sorgte Christiane Charlotte für eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Sichtbare Zeichen sind unter anderem die Gründung der Ansbacher Fayencefabrik 1710, die Eröffnung der Schlossbibliothek 1720 und vor allem die vielfältigen Baumaßnahmen, deren Leitung ab 1719 an Carl Friedrich Freiherr von Zocha übertragen wurde. Sein von der französischen Baukunst beeinflusster klassizistisch-kühler Stil sollte von nun an die Bauten in der Markgrafschaft prägen. Auch öffentliche Bauten in Crailsheim profitierten von der markgräflichen Baulust, hier wurde 1717/18 der Stadtturm, der heutige Rathausturm, neu gebaut.

Als ihr geliebter Gemahl, den sie ihren „Engels-Markgraf“ nannte, 1723 an einem Schlaganfall starb, übernahm Christiane Charlotte als „Obervormunderin und Landesregentin“ die Regentschaft im Fürstentum. Die Stadt Ansbach erhielt in dieser Zeit durch zahlreiche Bauten, die teilweise aus der Privatschatulle der Fürstin finanziert wurden, ein neues Gesicht. Christiane Charlotte plante zudem die Errichtung einer Universität, für die sie beträchtliche Mittel stiftete. Damit sollte den Landeskindern ein Studium der Rechts- und Geschichtswissenschaften ermöglicht werden. Tatsächlich wurde am 26. Juni 1726 ein kaiserliches Privileg ausgestellt, das die Gründung einer Universität in Heilsbronn, Gunzenhausen oder Crailsheim erlaubte, doch leider machte der frühe Tod der Markgräfin diesen Plänen ein Ende – die Sternstunde, in der Crailsheim Universitätsstadt hätte werden können, verstrich: Christiane Charlotte starb nach einer kräftezehrenden Krankheit 1729 mit nur 35 Jahren. Mit großer Disziplin regelte sie die Übergabe der Landesgeschäfte an ihren erst 17-jährigen Sohn Carl Wilhelm Friedrich, was wenige Monate vor ihrem Tod gelang. Sie wurde in der Fürstengruft von St. Johannis in Ansbach beigesetzt. Bei der Trauerfeier ehrte sie der Hofprediger mit den Worten: „Sie war eine Krone unter den Fürstinnen, ein Morgenstern unter den leuchtenden Sternen, ein Diamant unter den edlen Steinen.“

Das im Stadtarchiv erhaltene Porträt zeigt Christiane Charlotte als Regentin: Selbstbewusst blickt sie aus dem Bild. Sie trägt ein prächtiges Kleid mit tiefem Ausschnitt und reichen Stickereien. Ein inwendig pelzbesetzter Samtmantel, locker um die Schultern gelegt, verweist auf ihre Herrschaft. Der Mantel wird von einer mit Edelsteinen besetzten Kette gehalten, mit ihrer Hand greift die Fürstin nach einer der beiden blütenförmigen Befestigungen. In ihrer modisch-gelockten grauen Perücke, die auf ihrem schmalen Kopf sitzt, ist ein Edelsteinschmuckstück befestigt. Das Porträt ist als Medaillon in einen ovalen Rahmen eingefügt, der auf einem Sockel mit vorgeblendeter Wappenkartusche aufsitzt. Die Umschrift nennt Christiane Charlotte als Markgräfin von Brandenburg-Ansbach und geborene Herzogin von Württemberg.

Bei dem Kunstwerk im Stadtarchiv handelt es sich um einen Kupferstich. Er wurde nach der Vorlage eines Ölgemäldes angefertigt, das der damals hoch angesehene Porträtmaler Johann Kupetzky nach seiner Übersiedlung von Wien nach Nürnberg um 1725 von der Fürstin angefertigt hatte und das sich heute in der Universitätsbibliothek in Erlangen befindet. Damit Verwandte und Untertanen sich ein Bild von Christiane Charlotte machen konnten, wurde offenbar kurz danach die Anfertigung eines Kupferstichs in Auftrag gegeben, mit dem das Porträt vervielfältigt wurde. Eine kleine Sensation: Kein Geringerer als der französische Kupferstecher Pierre Drevet (1663-1738) fertigte die Druckplatte. Nachdem Drevet 1696 ein Porträt des französischen Königs Ludwig XIV. nach dem berühmten Gemälde von Hyacinthe Rigaud gestochen hatte, wurde er zum Hofkünstler ernannt. Aus seiner Hand stammen zahlreiche Konterfeis Adliger am französischen Hof. Die Herkunft des Porträts der Fürstin aus der fernen kleinen Residenz ist sicher: Drevet hat sein Signet auf dem steinernen Sockel, direkt neben dem brandenburg-württembergischen Wappen, angebracht.

 

 

Hans Sachs, ca. 1920

Die Weimarer Tagebücher von Hans Sachs

Im Mai 2000 sind durch Matthias Klotz mit einem umfangreicheren Nachlass auch drei kleine Tagebuch-Bändchen von Hans Sachs über seine Zeit in Weimar in den Bestand des Stadtarchivs gelangt. Die Tagebucheinträge umfassen die Zeit vom 5. Februar 1919 bis zum 22. August 1919.

Ihr Autor, Hans Sachs, wurde am 28. November 1874 als Sohn des Stadtschultheißen Leonhard Sachs in Crailsheim geboren und ist am 5. August 1947 in Crailsheim gestorben. Zuletzt lebte er in seinem Haus Parkstraße 6 (bis 2019 Familienzentrum Parkstraße). Nach seiner Schulzeit in Crailsheim und seinem Studium in Tübingen, Leipzig und Berlin hat sich Hans Sachs in den Redaktionen verschiedener Zeitungen betätigt, bis er 1906 als Pressereferent in die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes wechselte. Er stieg zum Kaiserlichen Geheimen Regierungsrat auf. Da die provisorische Regierung und die Nationalversammlung ihren Sitz aus dem umkämpften Berlin Anfang 1919 nach Weimar verlegt hatte, wurde Hans Sachs ebenfalls nach Weimar beordert. Er begleitete die politischen Geschehnisse mit seiner Pressearbeit von dort aus.

Die drei kleinen Bändchen sind keine besonderen „Tagebuch“-Bände, sondern sicher nach Bedarf spontan gekaufte kleinformatige Notizbücher. Sie sind im Umfang unterschiedlich. Nicht in jedem Fall hat Hans Sachs die zur Verfügung stehende Seitenzahl genutzt. Die Bändchen zeigen äußerlich keine besonderen Merkmale, lediglich bei Band I ist in den Einbanddeckel das Wort „Weimar“ geritzt.

Der Leser nimmt in den Einträgen am persönlichen Leben Hans Sachs‘ in Weimar teil und aus einer gewissen Distanz an den politischen Debatten und Entscheidungen: Im November 1918 hatte Matthias Erzberger im Wald von Compiégne den Waffenstillstandsvertrag für das Deutsche Reich unterschrieben. In Paris fanden zum Zeitpunkt der Abfassung der Tagebücher die Friedensverhandlungen der Entente statt. Das Deutsche Reich war bei diesen Verhandlungen nicht beteiligt. Lediglich eine Kommission war vor Ort – aber nicht am Verhandlungstisch. In den ersten Tagebucheinträgen von Anfang Februar 1919 wird die Zukunft des Reichskolonialamtes diskutiert, dessen Eigenständigkeit oder eine Eingliederung in das Auswärtige Amt.

Band I der Weimarer Tagebücher

Sachs hatte während seiner ganzen Zeit in Weimar Zugang zu verschiedenen Ministern und Regierungsmitgliedern, aber auch zur Opposition. In dieser Weimarer Zeit tritt Sachs der Goethe-Gesellschaft und der Deutschen Volkspartei (DVP) Gustav Stresemanns bei. Nicht nur hier zeigt sich Hans Sachs als Konservativer. Vor allem im dritten Tagebuch für den Zeitraum vom 18. Juni 1919 bis 22. August 1919 tritt seine Tätigkeit für die Deutsche Volkspartei in den Vordergrund. Er wird rasch in den geschäftsführenden Ausschuss der Partei gewählt, nimmt an Parteitagen teil und versucht einen organisatorischen Aufbau der Partei in Württemberg. Er holt Parteireferenten nach Stuttgart und hält selbst Vorträge.

Auch nach Crailsheim gibt es immer wieder Kontakte, vor allem brieflicher Art (z.B. an Dekan Hummel), aber auch zur Verwandtschaft in Schmalfelden. Anlässlich einer Hochzeit in der Familie erhält er ein ansehnliches Paket mit Lebensmitteln aus Schmalfelden. Diese Lieferung kommentiert er mit den Worten „nur her mit den Futtermitteln“. Wir erleben Hans Sachs privat auf zahlreichen Spaziergängen und Wanderungen in Weimar und Umgebung. Er ist sehr empfänglich für Naturstimmungen, stimmungsvolle Sonnenuntergänge und stille Parks. Zum Schluss zieht er ein positives Resümee seiner Weimarer Zeit. Er fühlt sich der Weimarer Klassik und ihren Akteuren sehr verbunden und sieht sich durch sie gestärkt. Vor dem Schlusswort zitiert er daher noch einen Vers aus Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“, die dort von dem „anderen“ Hans Sachs gesungen werden:

Zerging in Dunst

Das heil´ge römische Reich

Uns bliebe gleich

Die heil´ge deutsche Kunst

Letzter Eintrag in den Tagebüchern

Die Tagebücher führen hinein in einen turbulenten Zeitabschnitt der deutschen Geschichte. In einen Abschnitt, in der vieles in der Schwebe war. Die unterschiedlichsten Entwicklungen schienen möglich. Hans Sachs war mittendrin. Seine lebensnahen Ausführungen geben Anstöße, sich mit den Details dieser Zeit zu beschäftigen.

Die Tagebücher Hans Sachs‘ sind auch ein Beispiel dafür, dass sich im Stadtarchiv Crailsheim nicht wenige Dokumente befinden, die durchaus von überregionaler, zum Teil sogar nationaler Bedeutung sind.

Das erste städtische Rechnungsbuch von 1437-1450

Im Allgemeinen gelten Rechnungsbücher nicht gerade als unterhaltsame oder gar aufregende Lektüre. Wer sich jedoch mit der frühen Geschichte oder Baugeschichte einer Stadt beschäftigt, kommt an ihnen kaum vorbei: Sie bieten einen detaillierten Einblick in die Entwicklung einer Stadt, denn in ihnen sind die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben festgehalten – und damit ganz unterschiedliche Dinge wie Steuererhebungen, Bußgelder, Bausachen oder Kriegsausgaben. Das macht zwar eine gezielte Suche nach dem Bau eines bestimmten Gebäudes oder nach einer bestimmten Person ein wenig zu einem Glücksspiel. Wenn man sich jedoch in die breite Federschrift des Mittelalters eingelesen hat, wird man mit einer Fülle von Informationen belohnt.

 

Die Rechnungsbücher im Crailsheimer Stadtarchiv haben die Bestandssignatur 13

Im Crailsheimer Stadtarchiv haben sich bemerkenswerterweise die städtischen Rechnungsbücher seit 1437 erhalten. Es handelt sich um schmale hochformatige Bände, in denen die einzelnen Hefte der jährlichen Abrechnungen zusammengebunden sind. Da das Verwalten der Einnahmen und Ausgaben damals ein sogenannter Baumeister übernahm, der jährlich aus den Reihen des Rates gewählt wurde, werden die Bücher auch Bauamtsregister genannt. In ihnen werden zunächst die Einnahmen zusammengefasst, die aus verschiedenen Steuern, Bußgeldern, Zinsen und Verkäufen zustande kamen. Eine sehr gute Einnahmequelle stellte beispielsweise der Fischverkauf dar, den die Stadt aus der Bewirtschaftung mehrerer Seen stemmte.

So konnte sich die Stadt nicht nur Investitionen für Infrastruktur in Form von Wege-, Wasserleitungs- und Stadtmauerbau leisten, sie beschäftigte auch fest angestellte Personen für öffentliche Aufgaben, die Stadtknechte: Zu ihnen zählten der Stadtschreiber, der Büttel, die drei Torwärter, der Türmer, sowie der Nachrichter (Henker) und der Zöllner. Weiter Ausgaben zeigen, welche Aufwendungen für die unterschiedlichen Dienste nötig waren, so erhielt der Schreiber regelmäßig Papier, die Wärter und der Türmer hingegen regelmäßig Holz zum Heizen ihrer Stuben. Besondere Ausgaben sind ebenfalls genannt, beispielsweise ein Signalhorn für den Türmer im Jahr 1445: „ein kue horn uff den thurn“.

Solche allgemeinen Ausgaben finden sich dann auch in der Rubrik „Ein Gemeins“, also „Allgemeines“. In ihr sind auch die kleineren Reparaturen an den städtischen Gebäuden festgehalten, dem Rathaus und der Stadtmauer mit angeschlossenen Türmen. Gab es hier größere Baumaßnahmen, erhalten diese eine eigene Rubrik. So kann man sehr gut nachvollziehen, wann bestimmte Gebäude oder Türme gebaut oder saniert wurden. Zusammen mit bildlichen Darstellungen der Stadt ist eine Rekonstruktion der baulichen Entwicklung möglich.

Städtisches Rechnungsbuch: Entlohnung der Stadtknechte
In den Stadtrechnungen werden die Ausgaben für die Stadtmauer mit den Türmen festgehalten

Sind in Stadtrechnungen Einnahmen für das “Ungeld” verzeichnet, also für die Steuer auf den eingelagerten Wein, so ist das ein wichtiges Indiz, dass die Stadt eine Befestigung zu finanzieren hat.

Die Rechnungsbücher sind überdies eine hervorragende Quelle zur Dialektforschung. Überrascht kann man feststellen, dass sich seit etwa 1450 die Sprache vor allem im Dialekt nur wenig verändert hat – und manche eigenwilligen Wörter bis heute gängig sind. Eine Kostprobe aus der Aufzählung der Lebensmittel, die die „Rayser“, also die Kriegsleute, mit auf den Feldzug nach Jagstberg genommen haben: Man sieht, Lebensmittel sind wichtig und „Erwayß“ gab es schon damals im Hohenlohischen. (lb = Pfund, gld = Gulden, dn = Pfennig, facit = das macht)

 

xv lb xii (dn) umb drey aymer und funff moß weins den raysern

xx maß den gesellen, die raysen solten, zu Irem anbiß, facit ii lb.

iii lb iiii dn vertzert, bis man all sach zu der rayß zugerüst hat.

ii gld umb dinckel, darauß man bort (Brot) In die rayß gebacken hat.

iii gld den raysern zerung ersten mals

viii dn vom weinfas zu beraiten In die rayß

xii dn umb zwu zainen

vi dn umb zaway buttervesslich

x dn ümb remen und schnüre

lxiiii dn umb habern den waggenpferden morgens und nachts, als man In die rayß zyhen wolt.

viii dn für hew

ii gld und lvi dn umb buttern

iii gld i ort für ein ochsen

lvi dn umb habern zu müeßmel

ii lb ümb saltz

xxvi dn ümb erwayß

Summa x gulden i ort xxx lb xxii dn

 

 

(Abschrift von Hans Gräser, der die Rechnungsbücher nach und nach transkribiert.)

Seite aus dem Stammbuch Familien Most und Eychmüller
Seite aus dem Stammbuch Familien Most und Eychmüller, Stadtarchiv

Stammbuch/Album Amoricum der Familie Most, Loseblattsammlung in einer Pappschatulle

Das Stammbuch der Familien Most und Eichmüller aus dem 19. Jahrhundert. In diesem Freundschaftsbuch sind handgeschriebene Glückwunschgedichte versammelt, die teilweise sehr liebevoll illustriert wurden. Ein Mitglied der Familie, Georg Andreas Eychmüller, war von 1809 bis 1813 Bürgermeister der Stadt Crailsheim.