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„Dürer-Bild auf Altar in Crailsheim entdeckt“

Mit der Ausrichtung einer Tagung und der Publikation eines Tagungsbandes hat das Stadtarchiv Crailsheim eine sensationelle Diskussion angestoßen.

Schon lange beschäftigen sich Kunstliebhaber und Kunsthistoriker mit dem Altar der Crailsheimer Johanneskirche, der Ende des 15. Jahrhunderts entstanden ist und in farbenprächtigen Bildern das Leben und die Passion Johannes des Täufers und das Sterben Christi darstellt. Was allerdings in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist, war kaum vorherzusehen. Eine Pressemeldung der dpa hat eine deutschlandweite Nachrichtenflut ausgelöst: „Dürer-Bild auf Altar in Crailsheim entdeckt“. Anfragen von Rundfunkanstalten wie SWR und WDR, von Tageszeitungen und wissenschaftlichen Instituten gingen daraufhin beim Crailsheimer Stadtarchiv ein. Was war geschehen?

Das Ganze hat eine Vorgeschichte: Das Stadtarchiv Crailsheim hatte 2016 gemeinsam mit der Evangelischen Johanneskirchengemeinde und dem Crailsheimer Historischen Verein eine Tagung zum Altar veranstaltet. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn damals wurden die Bestände der fränkischen Tafelmalerei im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg aufgearbeitet und genauer untersucht. Zudem stand eine vertiefte Beschäftigung mit dem Werk Michael Wolgemuts anlässlich seines 500. Todestages im Jahr 2019 bevor. Zur Tagung wurden mehrere Expertinnen und Experten eingeladen, es sollte geklärt werden, ob sich der Crailsheimer Altar in die Werkstatt Wolgemuts einordnen ließe. Dies war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder vorgeschlagen worden. Überraschend war jedoch am Ende der Tagung, dass nicht nur die Herkunft aus der berühmten Nürnberger Werkstatt bekräftigt wurde, sondern auch „die Dürer-Frage“ erneut gestellt wurde. Schon einmal wurde dies nämlich diskutiert, im Jahr 1928, als anlässlich des 400. Todestages von Albrecht Dürer eine große Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum veranstaltet wurde. Der Crailsheimer Altar wurde damals sogar nach Nürnberg transportiert. Es sollte untersucht werden, ob eine Beteiligung Dürers während seiner Gesellenzeit bei Michael Wolgemut möglich schiene. Damals fiel die Bewertung negativ aus.

Als Ergebnis der Crailsheimer Tagung wurde jedoch von sämtlichen Referenten einmütig festgehalten, dass der Altar um 1490 entstanden sein musste. Dazu wurden zahlreiche Vergleichsbeispiele angeführt. Und diese stammten meist aus der Wolgemut-Werkstatt. Um 1490 war jedoch auch Dürer als Lehrling in der Wolgemut-Werkstatt tätig. Und tatsächlich gibt es auf dem Altar Manches, was innovativer ist und sich nicht der Werkstatt-Tradition zuordnen lässt. Dieses Ergebnis der Tagung ist im Aufsatzband, der im September 2020 in der Johanneskirche vorgestellt wurde, festgehalten.

Anlässlich des 550. Jahrestags des Geburtstags von Dürer am 21. Mai dieses Jahres ist der Kunsthistoriker Manuel Teget-Welz von der Universität Erlangen nun einen Schritt weitergegangen. Er hat die Figur des Henkers in der Szene „Gastmahl des Herodes“ aufgrund von Vergleichen mit Dürers frühen Werken diesem direkt zugeschrieben. Auch Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum München ist schon einige Zeit von der Beteiligung Dürers überzeugt. Daraufhin entstand die Pressemeldung der dpa – und binnen Stunden explodierte die Zahl der Fundstellen auf den gängigen Internet-Suchmaschinen.

Nun ist man im Stadtarchiv Crailsheim gespannt, wie die Fachwelt das Thema diskutiert und was sich daraus entwickelt. Absehbar ist jedoch jetzt schon, dass die Nachfrage nach Führungen stark ansteigen wird.

Den Tagungsband zum Altar der Crailsheimer Johanneskirche gibt es zum Preis von 28€ im Stadtarchiv.