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"Stellung Crailsheim“ in den Vogesen 1915

Kampf um die „Stellung Crailsheim“

Vor 100 Jahren stand die „Stellung Crailsheim“ einige Tage im Brennpunkt der Weltkriegskämpfe im Oberelsass

Während das Elsass in den deutschen Planungen für den Krieg im Westen nicht als Offensivraum vorgesehen war, versuchten die Franzosen im Sommer 1914 über die Burgundische Pforte in die Rheinebene vorzustoßen. Nach dem Scheitern der Offensive (Schlacht bei Mül-hausen) verlagerten sich die militärischen Vorstöße der französischen Einheiten mehr und mehr in die Mittelgebirgslandschaft der Vogesen. Auf den Höhen wurden Stützpunkte eingerichtet, die den Nachschub erleichtern und flankierende Operationen ermöglichen sollten. Aber auch die deutsche Führung erkannte die Bedeutung der Höhen und Kammlagen, von denen ihr Gefahr drohte, die sie aber auch als Basis für eigene Unternehmungen gegen die in die Täler eingedrungenen Franzosen nutzte.

Die Stellung Crailsheim am Sudelkopf im Februar 1915
Die Stellung Crailsheim am Sudelkopf im Februar 1915

Im Mittelpunkt der militärischen Aktivitäten stand ab Ende 1914 der Hartmannsweilerkopf (956 m), eine Bergkuppe in den Südvogesen, dessen Gipfel von den Franzosen besetzt war. Seit Anfang 1915 versuchten die Deutschen ihrerseits den Gipfel zu gewinnen und die französische Besatzung zu vernichten.

Zur Sicherung der rechten Flanke besetzte das III. Bataillon des württembergischen Landwehr-Infanterie-Regiments 123 am 9. Januar 1915 den nördlich des Hartmannsweilerkopfes liegenden Sudelkamm (etwa 920 m) in der Gegend von Gebweiler/Guebwiller. Um gegen mögliche Angriffe der westlich auf dem Sudelkopf (1012 m) liegenden französischen Einheiten gewappnet zu sein, wurde die Stellung in der Folge stark befestigt. Befehlshaber des Bataillons war Oberstleutnant Alfred Freiherr von Crailsheim. Nach ihm wurden die deutschen Sicherungsanlagen auf dem Sudelkamm „Stellung Crailsheim“ genannt.

Oberstleutnant Alfred Freiherr von Crailsheim
Oberstleutnant Alfred Freiherr von Crailsheim

Alfred von Crailsheim wurde 1847 in Ulm geboren und trat 1863 ins württembergische Militär ein. 1866 nahm er am preußisch-österreichischen und 1870/71 am deutsch-französischen Krieg teil und wurde mehrfach ausgezeichnet. Bis 1893 stieg er zum Oberstleutnant auf und ließ sich nach seinem Austritt aus der Armee in Morstein nieder. Hier legte er eine systematische Schmetterlingssammlung an, die einen internationalen Ruf gewann und selbst den Exzaren von Bulgarien nach Morstein lockte. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 ließ sich Alfred von Crailsheim, immerhin schon 67-jährig, reaktivieren und führte die nächsten Jahre das genannte Bataillon im Elsass. [Informationen zu Alfred von Crailsheim von Hans Gräser].

In der offiziellen Regimentsgeschichte des Landwehr-Infanterie-Regiments 123 werden die Mühen der Befestigungsarbeiten anschaulich geschildert:

„Blockhütten wuchsen aus der Erde, Gräben wurden in den Felsenboden eingewühlt, tiefe Drahthindernisse um die Tannenstämme hin- und hergezogen. Beschwerlich, mühsam nervenzerreibend war das Geschäft. Da gab es keine Hütte, wo man sich von dem Frost erwärmen, keine Lagerstätte, auf der man die erstarrten Glieder strecken konnte! Um offene Feuerstellen stand die Mannschaft da und wärmte sich die gekrümmten, steifen, schwieligen Hände und die gefühllos gewordenen Füße. Und wie schwierig war nicht der Nachschub an Mundvorrat und an Baumaterial. Jedes Brett, jede Drahtrolle, jeder Balken musste auf vereisten, schlechten Wegen vom tiefen Rimbachtal herangeführt und herangetragen werden.“

Bis zum 25. Januar gelang es den Deutschen, ihre Positionen sogar noch auszubauen („Stellung Gutermann“) und französische Gegenangriffe abzuwehren: „Es war ein erschütterndes, dem Augenzeugen unvergessliches Bild. Zu Haufen lagen tote, leicht- und schwerverwundete Gegner im Drahtverhau.“

Daraufhin änderten die Franzosen ihre Taktik. Ab dem 29. Januar bombardierten sie die deutschen Stellungen auf dem schmalen Grat des Sudelkamms mit schwerer Artillerie und Minenwerfern. „So schmolz das III. Bataillon langsam dahin; denn jeder Tag forderte seine Opfer“. Nach fast zwei Wochen ununterbrochenen Beschusses erfolgte am 11.2.1915 ein Infanterie-Angriff deutlich überlegener französischer Alpenjäger gegen die deutschen Stellungen. Das III./LdwIR 123 hatte starke Verluste („an die 100 Mann“) und musste die Stellung „Gutermann“ aufgeben. Die „Stellung Crailsheim“ konnte noch gehalten werden.

Aber wenige Tage später, am 17.2.1915, war es auch hier so weit: Nach sechsstündigem schweren Trommelfeuer attackierten die Franzosen „die kleinen, völlig entnervten und erschöpften Reste“ der Verteidiger der „Stellung Crailsheim“, viele gerieten in Kriegsgefangenschaft. Die deutschen Stellungen wurden geräumt. Nach diesen Kämpfen, denen ein Großteil des Bataillons Alfred von Crailsheims zum Opfer gefallen war, wurden die 123er abgelöst, aus der Front in den Hochvogesen herausgezogen und in den Sundgau verlegt.

Schloss Morstein
Schloss Morstein

Noch bis 1918 kämpften Deutsche und Franzosen in einem Stellungskrieg um den Hartmannsweilerkopf und seine Nachbarkämme. Es gab kurzfristige Geländegewinne, mal für die eine, mal für die andere Seite, mehrfach wechselte die Kontrolle über den Berggipfel. Im Gesamtblick war die Front in den Vogesen ein Nebenkriegsschauplatz des Ersten Weltkriegs, nach Beurteilung der Generalstäbe eine „ruhige Front“. Dennoch starben am Hartmannsweilerkopf ca. 30.000 deutsche und französische Soldaten. Die dortige Gedenkstätte zählt heute zu den meistbesuchten Touristenzielen im Elsass. An den Hängen und auf den Gipfeln finden sich noch zahlreiche Relikte der Kämpfe, darunter auch Reste der „Crailsheim“-Stellung.


Erschienen im Hohenloher Tagblatt vom 21. Februar 2015

Autor Folker Förtsch